WAS IST EIN PSYCHO-TRAUMA ?
Unsere Seele in Totalüberforderung: zu viel - zu schnell - zu plötzlich!
Ein Psycho-Trauma entsteht nach einem lebensbedrohlichem Ereignis, welches unsere Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten überfordern.
Wenn wir so bedroht sind, dass weder ein gegen die Situation ankämpfen - no fight - noch ein Fliehen - no flight - möglich ist, sodass es zu einem sog. "freeze" Zustand, einem seelischen Einfrieren kommt.
Es gibt akute und chronifizierte Traumata, denen ein Schock vorausgeht. Fachleute sprechen von Monotraumata und seriellen Traumatisierungen.
Jedenfalls erkennt der traumatisierte Mensch es nicht unbedingt selbst, dass er/sie traumatisiert ist. Besonders dann, wenn es sich um kollektive Erfahrungen (zB. Kriegstraumatisierungen,...) handelt.
Es gibt Naturkatastrophen und Man-Made-Desaster, also von Menschen verursachte Traumata. Letztere wirken immer schwerer in unserer Psyche!
Auch müssen die Schreckensereignisse nicht selbst erlebt worden sein. Das Zusehen von Extremsituationen reicht ebenso schon aus um (sekundär) traumatisiert zu werden, sowie wir heute auch von transgenerationalen Traumata sprechen: Traumatisierende Erlebnisse unserer Eltern, Großeltern, usw., die auf ihre Kinder und Enkelkinder weitergewirkt haben.
Was passiert dabei?
Es werden (soziale, emotionale, szenische) Verbindungen abgerissen. Einzelne Wahrnehmungen werden im Gehirn einzeln statt im Kontext des Ereignisses gemeinsam eingespeichert.
Das erklärt, warum wir oft die traumatischen "Szenen" nicht berichten können.
Was ist ein Psychotrauma?
Der Kern jeder traumatischen Erfahrung ist das subjektive Erleben von
- Hilflosigkeit, völliger Ausgeliefertheit,
- Ohnmacht und
- Kontrollverlust.
Die Stresssysteme des Menschen werden dadurch maximal aktiviert und überfordert. Es kommt zum Extremstress und der Traumatisierung.
Video zum Neurophysiologischen Prozess der Traumaentstehung
Es besteht eine Diskrepanz zwischen den bedrohlichen Situationsfaktoren und den eigenen Möglichkeiten dieses zu bewältigen (Schutzfaktoren und psychische Ausstattung des Menschen sind individuell), welches mit einem Gefühl der Hilflosigkeit, des Ausgeliefertseins und dem Gefühl der Schutzlosigkeit einhergeht und zu einer dauerhaften Erschütterung des Selbstbildes und /oder des Weltbildes führt.
Das erklärt auch warum die gleichen Erfahrungen auf jeden Menschen anders wirken bzw. anders gut verarbeitet werden.
Einfacher gesagt: Ein Psychotrauma entsteht, wenn ein Ereignis, welches die Möglichkeit zu kämpfen (also sich zu wehren) und die Fluchtmöglichkeit nicht offen lässt und die Integrität des Menschen körperlich und /oder psychisch dauerhaft verletzt. Die Gefühle der Sicherheit, der Kontrolle und der Selbstwirksamkeit werden nachhaltig gestört.
Man unterscheidet zwischen Typ I-Traumen und Typ II-Traumen (nach L.Terr):
- Typ I-Traumen:
Diesem Typ sind Monotraumen (einmalige Erlebnisse) und Multitraumata (mehrfach erlebte traumatische Ereignisse) zuzurechnen.
- Typ II-Traumen:
Hier spricht man von sequentiellen und Entwicklungstraumata. Also von traumatischen Ereignissen, die sich in Sequenzen wiederholen, sowie in wichtigen Entwicklungsphasen des Lebens auftreten (frühe Traumata) und zu Entwicklungsstörungen führen, da dadurch auch das Bindungssystem im Menschen gestört wird.
Je nach Heftigkeit des Ereignisses, nach Dauer und Lebensalter entwickeln sich unterschiedliche Störungsbilder und psychische Erkrankungen, sog. Traumafolgestörungen, die auch sehr komplex sein können.
Was schützt vor einem Trauma?
…die Möglichkeit und Fähigkeiten flüchten oder kämpfen zu können. Zudem schützt alles was Sicherheit im sozialen Umfeld rasch wieder herstellt (zB. räumliche Distanz von der Gefahr), stützende andere Menschen, die da sind und Sicherheit vermitteln können, ebenso alles, das hilft um eine Distanz (räumlich, zeitlich, psychisch) zu dem Erlebnis zu schaffen und das Gefühl der Wiederbemächtigung und die Selbstkontrolle unterstützen.
Das Vorhandensein von „guten inneren Objekten“ / gute Erfahrungen mit Mitmenschen, ausreichend gute Bindungserfahrungen, Zuspruch und sichere Orte sind Faktoren, die den Menschen stärker machen bzw. ihm7ihr helfen rascher wieder psychische Stabilität zu erlangen.
„Ein Psychotrauma ist dann integriert (und damit zu Ende), wenn der/die Betroffene mit angemessenem Effekt einen vollständigen und zeitlich geordneten Bericht über die Ereignisse geben kann.“ (Fischer, Riedesser)
Die Posttraumatische Belastungsstörung
ist eine mögliche Folgereaktion eines oder mehrerer traumatischer Ereignisse.
wie z. B. Erleben von körperlicher und sexualisierter Gewalt, auch in der Kindheit (sogenannter sexueller Missbrauch), Vergewaltigung, gewalttätige Angriffe auf die eigene Person, Entführung, Geiselnahme, Terroranschlag, Krieg, Kriegsgefangenschaft, politische Haft, Folterung, Gefangenschaft in einem Konzentrationslager, Natur- oder durch Menschen verursachte Katastrophen, Unfälle oder die Diagnose einer lebensbedrohlichen Krankheit –
die an der eigenen Person, aber auch an fremden Personen erlebt werden können.
In vielen Fällen kommt es zum Gefühl von Hilflosigkeit und durch das traumatische Erleben zu einer Erschütterung des Selbst- und Weltverständnisses.*
* Text aus S3 Leitlinie Posttraumatische Belastungsstörung ICD-10: F43.1
Symptome PTBS / PTSD als mögliche Traumafolgestörung
Die typischen Merkmale sind das wiederholte Wiedererleben des Traumas in sich
- aufdrängenden Erinnerungen (Flashbacks)
- Träumen oder Albträumen
- Gefühl von Betäubtsein / emotionaler Stumpfheit
- Freudlosigkeit / Gleichgültigkeit / Teilnahmslosigkeit
- Vermeidung von Aktivitäten und Situationen, welche die Erinnerungen an das Trauma wachrufen könnten
- Übererregtheit mit gesteigerter Aufmerksamkeit (Vigilanzsteigerung)
- erhöhter Schreckhaftigkeit
- Gestörter Schlaf
Die PTSD wird oft von Angsterkrankungen und Depression begleitet. Bei schwer Betroffenen können auch Suizidgedanken auftreten.
Die PTSD kann über viele Jahre andauern, hat bei intensiver Therapie aber langfristig gute Besserungschancen. In einigen Fällen kann sie aber aus dem chronischen Verlauf heraus in eine
- Andauernde Persönlichkeitsänderung nach Extrembelastung (ICD-10 F62.0) übergehen.
Neurophysiologische Grundlagen zur Entstehung des Traumas
TRAUMA BEHANDLUNG
Behandlungsansätze
Es gibt verschiedene Trauma Expositions Behandlungsansätze.
Ich arbeite nach einer ausreichenden Stabilisierungsphase mit dem KReST-Modell von Lutz-Ulrich Besser:
Dies ist eine Screentechnik Traumabearbeitung und -integration durch ressourcenorientierte Traumaexposition und -synthese, die aus den Ansätzen von Luise Reddemann und Ulrich Sachsse weiterentwickelt wurde.
Einfacher ausgedrückt, suchen wir die belastenden Ereignissen, die wir wie Filmszenen gemeinsam bauen und "screenen", also auf eine bestimmte Art und Weise zusammen ansehen.
Wir gehen hierbei einen gemeinsamen Weg. Sie erhalten auch fachliche Informationen, damit Sie verstehen was wir tun. Sie werden achtsam begleitet. Wir nehmen die Zeit, die sie brauchen.
Eine stabile Lebenssituation zu haben ist dabei ebenso sehr wichtig!
Transgenerative Traumata und deren Folgen
Wie können Menschen, die selbst (keinen Krieg oder andere einschneidende Ereignisse) erlebt haben, an Traumafolgestörungen leiden, welche sind das? wie ist das zu erkennen? und wie wissenschaftlich nachweisbar sind diese Symptome?
Zum einen gibt es grundsätzliche Ähnlichkeiten, aber auch deutliche Unterschiede in den Themen der Nachkommen von Holocaust Überlebenden, der jüdischen Bevölkerung in Deutschland und Österreich, als historische Opfer des WK II und den Nachkommen der Tätergeneration.
Da wir uns nicht kompetent fühlen für die jüdischen Nachkommen zu sprechen, verweisen wir hier auf Artikel von Natan Kellermann und Folien von Peter Liebermann.
Das Trauma selbst wird nicht weitergegeben; allerdings zB die Stressverarbeitungsfähigkeit, die Atmosphäre der Familie, die Auswirkungen, die aus den unbearbeiteten Traumen der Elterngeneration erwachsen, sog. „abgeschaltete“ Gene (siehe Epigenetik), …
Zu bedenken ist ja, dass die Generation der Kriegskinder (des 2.WK) ja vielfach bereits traumatisierte Eltern des 1.WK hatte. In den Generationenabfolgen gehen also primär,sekundär und tertiär traumatisierte Menschen ineinander über.
Die Übertragung der Traumata erfolgt über die Repräsentanzen der im seelischen abgebildeten traumatisierten Elternteile (Introjekte). Dies können Opfer- und Täterintrojekte sein.
Negative seelische Folgen entstehen zB dann, wenn eine „Mutter“ ihr Kind nicht „spiegeln“ kann, sich das Kind in den Augen der Mutter nicht adäquat beantwortet findet und fühlt; die geschieht dann, wenn der (traumatisierte) Blick der „Mutter“ nach innen anstatt auf ihr Kind gerichtet ist.
Die Angst vor „Trigger“ der Traumen und/oder die Scham verhindert eine Bearbeitung derselben!
Wenn also die eigenen Gefühle (der Eltern) nicht „echt“ sind, d.h. ihnen selbst nicht zugänglich, dann findet eben keine ausreichend gute emotionale Ressonanz mit den eigenen Kindern statt.
Um welche Symptome, subjektive Gefühle handelt es sich also bei den Nachkommen der Tätergeneration, insbesonders den Kindern der Kriegskinder?
Es sind Gefühle der Schuld und Scham (ich bin falsch, statt ich habe etwas falsch gemacht), der gehemmten Lebensenergie, des Ausgeschlossenseins und Fremdfühlens, der Rast- und Heimatlosigkeit. Die VertreterInnen dieser Generation kennen es sehr gut, wenig bis keinen emotionalen Zugang zu den eigenen Eltern zu finden, das Gefühl sich alles „erkämpfen“ zu müssen und nichts „verdient“ zu haben. Sie haben wenig Körperlichkeit durch die Eltern erlebt und haben dadurch oft Schwierigkeiten mit dem Bezug zum eigenen Körper.
Es sind starke Bedürfnisse nach Anerkennung im Sinne des „nie-gut-genug-Seins“, einer maximalen Anpassungsfähigkeit an Erwartungen anderer (vornehmlich der Eltern), die bis zur Selbstaufgabe gehen kann. Kriegsenkel haben oft die Erfahrung gemacht durch die Eltern kontrolliert worden zu sein, aber nicht „gesehen“ worden zu sein.
Mangelnde Abgrenzungsfähigkeit um einen gesunden Egoismus aufzubauen geht mit schlechtem Gewissen einher. Dadurch entstehende Überforderungen, das Gefühl des Ausgebranntseins durch hohe Leistungsbereitschaft, wirken sich behindernd auf die Lebensfreude und die Entspannungsfähigkeit aus. Behindert wird ein gesundes Verhältnis von Spannung und Ruhe, von Geben und Nehmen, von Leistung und Entspannung, von Arbeit und Freizeit, uvm.
Dies alles sind keine Schuldzuweisungen an die Kriegskinder-Eltern. Es ist wichtig zu sehen, dass das NS Regime bestimmte (Erziehungs-)Prinzipien systematisch gefordert hat, ohne die dieses unmenschliche System nicht gelungen wäre.
Neben der Theorie des Lernens, stehen inzwischen aber auch andere Erklärungsmodelle. BEi der transgenerationalen Weitergabe von Traumen spielen auch Stressverarbeitung eine Rolle, die sich inzwischen auch genetisch nachweisen lassen. (Stichwort: Epigenetik)
Auf der Webseite des Dachauer Instituts finden sich weitere sehr interessante Texte: www.dachau-institut.de/psychologie/seelische_auswirkungen.html
Artikel des Institutes für Sozialforschung an der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main:Trauma und Gesellschaft
Eine Sammlung an Literatur und Artikeln zum Thema: Kriegsenkel.at